- Nostradamus - der Seher der Zukunft
- Nostradamus - der Seher der ZukunftDie Unsicherheiten darüber, was die Zukunft bringen wird, führte in allen Kulturen und Epochen zu Praktiken, die den Schleier der Ungewissheit zerreißen sollten. Aus Angst vor der Zukunft wurden verschiedene Formen von Vorhersagen entwickelt, die von dunklen Andeutungen bis zu exakten Angaben reichen. Die Sehnsucht nach der heilen Welt und die Nöte über die Missstände der Gegenwart führten zu apokalyptischen Visionen, die das Ende der Welt beschworen.Vom Ende der Zeiten: WeltuntergangstheorienDie Lebensbedingungen, so die Botschaft von Apokalypsen, verschlechtern sich immer mehr, bis schließlich am Ende der Zeiten eine Katastrophe hereinbricht. Es kommt zu einem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, der den ganzen Kosmos in Aufruhr versetzt: Erdbeben, Überflutungen und die Verfinsterung der Sterne kündigen das Ende der Weltzeit an. Mit dem Weltuntergang endet die Kontinuität der Zeit. Danach beginnt eine Heilszeit, in der die uranfänglichen paradiesischen Zustände wiederhergestellt sind. Das Wissen über die endzeitlichen Ereignisse wird ausgewählten Menschen von göttlichen Mittlergestalten in Träumen, Auditionen und Visionen offenbart.Im Alten Testament begegnet man der Apokalyptik nur im zweiten Teil des Danielbuchs. Die christliche Apokalyptik beginnt mit der Offenbarung des Johannes, die um 96 n. Chr. auf Patmos geschrieben wurde. Himmlische und irdische Verhältnisse werden in einer symbolreichen Sprache offenbart. Der Weg in die Zukunft ist in gewisser Weise eine Rückkehr zum Uranfang: Er führt in einer Kreisbewegung von der geistigen Welt zur Materie und von dort durch die Erlösung wieder zurück zum göttlichen Geist.Die BiografieNostradamus ist der latinisierte Name von Michel de Notredame. Er kam am 14. 12. nach altem, julianischem Stil bzw. am 24. 12. 1503 nach dem gregorianischen Kalender zur Welt, in Saint-Rémy-de-Provence (bei Tarascon-sur-Rhône), als Sohn einer begüterten Familie. Seine Vorfahren väterlicherseits waren jüdische Händler gewesen, die in der Mitte des 15. Jahrhunderts zum katholischen Glauben übergetreten waren. Sein Großvater mütterlicherseits, Leibarzt des Titularkönigs von Jerusalem, der zeitweise in Saint-Rémy residierte, soll auf den heranwachsenden Jungen großen Einfluss genommen haben. Beide Abstammungslinien werden von einigen Forschern auch zum Anlass genommen, Nostradamus viel geheimes Wissen der Zeit zuzuschreiben, wie es in Bruderschaften und Geheimzirkeln verbreitet war. Als Hinweis dazu dient ihnen auch, dass nach esoterischer Meinung dem Titularkönig von Jerusalem das Amt des »Hüters der Johannesoffenbarung« zukam, des biblischen Buches, dessen authentische Auslegung esoterische Kreise bis heute für sich reklamieren. Die lateinische Übersetzung der ursprünglichen, von der Kirche noch nicht »verfälschten« Handschrift der Johannesoffenbarung sollen die von der Kirche als Ketzer verurteilten Katharer als ihren geheimen »Schatz« aufbewahrt haben. Einige Forscher wie Manfred Dimde betonen die vielfältigen Beziehungen zur Johannesoffenbarung, die die Prophezeiungen des Nostradamus nach ihrer Ansicht aufweisen. Sie sind deshalb der Meinung, dass Nostradamus dieses Geheimmanuskript gekannt haben könnte.Nostradamus hat nach überlieferten Aussagen schon frühzeitig Interesse für Astronomie und Astrologie gezeigt und angeblich schon das Weltbild des Kopernikus übernommen. Ab 1522 studierte er in Montpellier, damals eine der freiesten Universitäten, unter anderem Medizin und Mathematik. Dabei soll er auch den zehn Jahre älteren François Rabelais zum Freund gewonnen haben.Nach dem Doktorexamen 1529 wurde Nostradamus 1530 Arzt in Agen. Ab etwa 1533 war er an verschiedenen Orten als Arzt tätig, u. a. in Toulouse, wo er mit dem Philosophen Julius Caesar Scaliger in Kontakt kam, bei dem er auch zeitweise wohnte. Nostradamus heiratete 1535 eine nach den Quellen schöne Frau, ihr Name ist nicht überliefert, und hatte zwei Kinder. Der Tod seiner Frau und Kinder, 1538 innerhalb weniger Tage Opfer der erstmals auftretenden Diphtherie, muss ihn sehr erschüttert haben - vorausgesehen hat er das Ereignis offensichtlich nicht. Zwischen 1536/37 und 1545 gibt es jedoch wenig Zeugnisse aus seinem Leben. Man nimmt an, dass er nach dem Verlust seiner Familie auf ruheloser Wanderschaft als Arzt und Astrologe durch Nord- und Osteuropa zog, nach anderen Theorien am Mittelmeer entlang, und u. a. in Ägypten, Spanien, Südfrankreich und Italien vielfältiges Geheimwissen aus der Antike, jüdischem Glauben und dem Islam in sich aufnahm. Nach anderer Vermutung wiederum soll er in jener Zeit Mönch in einem Kloster gewesen sein. Verbreitet ist auch die Ansicht, Nostradamus floh vor der Inquisition.1545 ist sein Wirken als Arzt in Marseille belegt. Als erfolgreicher Pestarzt erwarb er sich dann 1546 bis 1548 in Aix-en-Provence einen guten Ruf und wurde schließlich 1548 in Salon-en-Provence (bei Aix-en-Provence) sesshaft. Schon 1547 hatte er wieder geheiratet, nach dem Brauch der Zeit als Witwer eine Witwe, Anne Ponsard; jung und reich soll sie gewesen sein. Seine Arztpraxis war erfolgreich, ebenso seine medizinischen Publikationen. Ein Buch über Gesichts- und Duftpuder, also die Schminke, sowie über Schönheitssalben soll ein erster Bestseller gewesen sein. Außerdem verfasste er ab 1550 auch regelmäßig Jahrbücher und Almanache, vor allem mit Weissagungen und Horoskopen.Als Arzt war Nostradamus besonders beim Kampf gegen den schwarzen Tod, die Pest, aktiv, die 1546 und 1547 in der Provence wütete. Die Medizin hatte Anfang des 16. Jahrhunderts damit begonnen, sich durch hygienische Maßnahmen und anatomische Studien an Leichen eine wissenschaftliche Grundlage zu erschließen. Diese neuen Gedanken hatte sich Nostradamus im Studium zu Eigen gemacht. So achtete er besonders auf Hygiene und fürchtete als erfolgreicher Pestarzt keine Ansteckungsgefahr. Doch auch die Volksmedizin schätzte er; besonders Rosmarin und Knoblauch hielt er für probate Heilmittel in vielerlei Hinsicht. Erfolgreich produzierte er auch Potenzmittel für seine Kunden.Mit einem Schlag sollte er aber in anderer Hinsicht berühmt werden. Als 1555 erstmals ein Teil seiner »Prophéties«, der »Prophezeiungen«, erschien, bildmächtige und symbolisch gehaltene Offenbarungen in gereimten Vierzeilern, so genannten »Quatrains«, die jeweils zu »Centuries« (Hundertschaften) zusammengefasst sind, wurde er weithin im Land bekannt - und erhielt eine Einladung an den Hof von König Heinrich II. und seiner Gemahlin, Katharina von Medici. Vor allem die Königin war ganz von Nostradamus und seinen Zukunftserzählungen angetan; nach der ersten zweistündigen Audienz am 16. 8. 1556 entlohnte sie ihn königlich. Mehrmals weilte er danach auf ihren Wunsch hin in Paris.Welches Vertrauen Nostradamus bald genoss, zeigt die Tatsache, dass er zum Leibarzt sowohl von Katharina von Medici als auch später von ihrem Sohn, König Karl IX., berufen wurde. Als sich mehrere seiner Horoskope für sie und ihre Familie offensichtlich erfüllten, erwies sich Katharina von Medici, eine am Okkulten und der Astrologie sehr interessierte Frau, bis zu seinem Tod als seine Gönnerin. Berühmtheit in Paris und Frankreich erlangte Nostradamus aber nicht als Arzt, sondern vor allem durch seine astrologische Tätigkeit und durch seine »kleinen« Weissagungen (Prognostica) und Horoskope, die er für adlige Interessenten in Bezug auf ihre privaten Zukunftserwartungen stellte.Ab etwa 1562 wurde Nostradamus, schon zu Lebzeiten zur Legende geworden, kränklich. Er soll u. a. an Gicht, Wassersucht und Arteriosklerose gelitten haben. Am 1. 7. 1566 ordnete er seine Angelegenheiten, beichtete und bekundete, dass man ihn am nächsten Sonnenaufgang nicht mehr lebend vorfinden werde. Sein Sohn entdeckte ihn am nächsten Morgen, am 2. 7. 1566, tot in seinem Arbeitszimmer in seinem Haus in Salon-en-Provence. Heute beherbergt das Haus ein kleines Museum.Nostradamus wurde noch am selben Tag begraben, stehend - was eine große Ehre war. Seine Grabstätte hatte er sich selber ausgesucht: die Klosterkirche der Barmherzigen Brüder in seinem Heimatort. Während der Französischen Revolution wurde sein Grab geschändet und zerstört. Heute ruht er in der Kirche Saint Lorent in Salon-en-Provence. Selbst in seine Grabplatte werden geheime Botschaften hineingedeutet.Die »Prophéties« oder »Les Centuries«, das Werk, das seinen Namen als des berühmtesten Sehers des Abendlands durch die Jahrhunderte im Volksglauben überliefern sollte, wurde erstmals elf Jahre vor seinem Tod, 1555 gedruckt - als Teilveröffentlichung. Denn zuerst erschienen nur die Centurien I bis III sowie von der IV. Centurie die Verse 1 bis 53. Als das Werk drei Jahre später, 1558, die vierte Auflage erreichte, enthielt es nunmehr schon sieben Centurien, allerdings von Centurie VII nur die Verse 1 bis 42. Es ist nicht ganz zweifelsfrei geklärt, ob die erste Gesamtausgabe erst postum, 1568, wie einige Forscher meinen, herausgegeben werden konnte, oder ob nicht schon 1558 alle zehn Centurien, über 1 000 Vierzeiler, publiziert worden waren. Angeblich lassen sich Anhaltspunkte in Zeitdokumenten in diesem Sinn deuten, obgleich keine Ausgabe von 1558 überliefert ist.Schon der erste Teil der Prophezeiungen von 1555 wurde zu einem Bestseller der Zeit. Allerdings war das Buch so teuer, dass sich nur Vermögende, Adlige, den Kauf leisten konnten. Sie verstanden ihn zwar nicht - aber Nostradamus war »in« und wurde prominent.Die Verse sind in einer Art Geheimsprache geschrieben, in einem Französisch, das von fremden Vokabeln durchsetzt ist: einer Mischung aus neu gebildeten griechisch-lateinischen Wörtern und provenzalischer Diktion, durchsetzt mit den Namen von Städten und astrologischen Angaben, angeblich voll mit Wortversetzungen und Deckworten. Er wage es nicht, so sagte Nostradamus, die Wahrheit offen auszusprechen. Deshalb habe er die Aussagen absichtlich im Dunkeln gehalten und durcheinander geworfen.Abgeleitet aus der Astronomie - mit dichterischem »furor«In seiner Vorrede zur achten Centurie führt Nostradamus aus, dass seine Voraussagen auf einer astronomischen Grundlage basieren. Allerdings bekennt Nostradamus zugleich, dass sie mit einem dichterischen »furor« geschrieben sind, also einer Leidenschaft des Literaten, den Nostradamus im Weltbild der Renaissance zugleich als Seher verstand. Unklar ist, was ihn zu seinen Vorhersagen brachte. Seinen Schriften ist eher zu entnehmen, dass Nostradamus wohl keine »Gesichte« hatte, sondern zur Erlangung seiner Weissagungen »magische Praktiken« gebrauchte. Es ist ebenso möglich, dass er manche der Dinge, die er errechnete, in die Form der Dichtung umsetzte. Vor allem aber weist er darauf hin, dass seine Voraussagen von Gott geoffenbart seien. Trotzdem wurden die Werke des Nostradamus 1781 von der katholischen Kirche auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt: Sie hatten den Untergang des Papsttums vorausgesagt.Die Weissagungen des NostradamusNostradamus lebte in einer Zeit, in der sich das mittelalterliche Weltbild bereits weitgehend aufgelöst hatte und die Pest, die Glaubensspaltung und die Bauernkriege Mitteleuropa verwüsteten. Kulturhistorisch erscheinen seine Prophezeiungen als Spiegel einer von Glaubenskriegen zerrissenen Zeit. Doch bis heute sieht man in den Texten von Nostradamus auch visionäre Ankündigungen und versucht, die Sprache zu entschlüsseln. Vor den Augen des Lesers entsteht eine Welt aus Verrat, Mord, Kampf und Katastrophen.Der junge Löwe überwältigt den altenWas die Weissagungen des Nostradamus konkret beinhalteten, lässt sich exemplarisch an folgendem Text zeigen, Vers I/35 von 1555:Le lyon jeune le vieux surmonteraEn champ bellique par singullier duelle:Dans cage d'or les yeux luy crevera,Deux classes une, puis mourir, mort cruelle.Der junge Löwe überwältigt auf dem Kriegsplanden alten durch einen Einzelkampf.Im goldnen Käfig spaltet er ihm die Augen.Das eine der zwei Zerbrechen, dann Sterben, grausamer Tod.Die Übersetzung wurde entnommen aus: Handbuch des deutschen Aberglaubens, herausgegeben von Hanns Bächtold-Stäubli (München 1987).Bei diesem Vierzeiler, der zu den eher noch leicht verständlichen des Nostradamus gehört, stehen unverbundene Begriffe nebeneinander. Dafür kann man die Menge an »Gesichten« verantwortlich machen, die Nostradamus hatte, die für sich aber so undeutlich waren, dass sie in eine eher unverständliche Kette nebeneinander gestellt wurden. Wahrscheinlicher ist aber, dass Nostradamus sich hier bewusst des damals üblichen Stiles der Prognostica-Literatur bedient. Der zitierte Vierzeiler hat den Ruhm von Nostradamus mitbegründet: Mit ihm soll er den Tod von Heinrich II. vorhergesehen haben, der 1559 bei einem Turnier anlässlich der Vermählung seiner ältesten Tochter Elisabeth mit Philipp II. von Spanien von einer Lanze seines Gegners, Gabriel de Montgomery (* 1530, ✝ 1574), im linken Auge getroffen wurde und zwölf Tage später starb. Beide hatten im Wappen einen Löwen auf ihrem Schild. Pikant ist, dass Nostradamus zu dieser Heirat geraten haben soll - aus politischen Gründen. Montgomery, Chef der königlichen Garde, verlor nach dem Turnier seinen Posten und wurde später als Gegner Karls IX. hingerichtet.Hier wie insgesamt ist die Einschätzung Nostradamus' - viele bezeichneten ihn als Schwindler, viele lobten ihn aber auch als bedeutenden Seher - davon abhängig, was man in seinen Versen als Voraussage künftiger Ereignisse wertet und was nicht. Dabei ist festzuhalten, dass seine Schriften sowohl Ereignisse behandeln, die in der Vergangenheit liegen, als auch solche, die unmittelbar bevorstehen - so in III 4 und in IX 63 -, wie es auch Verse gibt, die Weissagungen zur ferneren und fernsten Zukunft machen, bis zum Weltende 3797, das die Menschheit im Weltraum überstehen werde.Die Rezeptionsgeschichte des NostradamusImmer wieder versuchte man in späteren Zeiten, der Unordnung in den »Prophéties« eine bewusste Ordnung zu unterstellen. Jedem Jahr der Menschheitsgeschichte sei einer der Vierzeilerverse, der Quatrains, zugeschrieben, sie müssten aber in einem komplizierten Verfahren angeordnet werden. Mehrfach wurde behauptet, man habe den Schlüssel für die Anordnung gefunden - so schon C. Loog in seinem 1921 erschienenen Buch »Die Weissagungen des Nostradamus«, wobei diese Erklärung mindestens genauso geheimnisvoll ist wie die Aussagen des Nostradamus selbst. In den 1980er- und 1990er-Jahren trat beispielsweise in Deutschland Manfred Dimde mit mehreren Büchern und der Ansicht an die Öffentlichkeit, aus der Antike überlieferte und in der Renaissance weit verbreitete Verschlüsselungstechniken auf der Basis mathematischer Kriterien könnten helfen, den Sinn der Prophezeiungen aufzuhellen.Abhängig sind die Weissagungen des Nostradamus aber immer wieder von der Übersetzung und der mehr oder minder spektakulären Ausdeutung durch den, der sich mit ihnen befasst. Wie viele Interpreten streiten sich doch um die einzig richtige Auslegung der dunkel und symbolisch gehaltenen Verse! Die Frage nach der Bedeutung der Wahrsagungen des Nostradamus ist also auch die Frage, welches Anliegen derjenige verfolgt, der die Schriften und Prophezeiungen zu entschlüsseln versucht. So sah bereits Chavigny, sein Sekretär und enger Freund, 1594 eine große Zahl der Weissagungen von Nostradamus als in den Jahren von 1534 bis 1589 erfüllt an. Der Zeitraum, den die Weissagungen abdeckten, wurde im Laufe der Jahre immer mehr erweitert. So wurde dieser Raum zunächst bis in die Zeit Ludwigs XIV. ausgedehnt, dann wurde Nostradamus zur Zeit der Französischen Revolution und Napoleons I. immer bekannter, und auch in den Jahren vor dem Sturz Napoleons III. 1870/71 wurden die Weissagungen wieder verstärkt herangezogen.In Deutschland geriet Nostradamus erst in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dabei kam es immer wieder zu dreisten Fälschungen: Man lese Bruno Noah in den »Breslauer Neuesten Nachrichten« vom 30. 12. 1928. Fälschungen sind allerdings in allen Jahrhunderten seit seinem Tod üblich gewesen und bestätigen damit auch die große Beachtung, die Nostradamus gefunden hatte.Leben und Tod umrankt von fantastischen GeschichtenAuch das Leben und der Tod des Sehers wurden von immer neuen Gerüchten und fantastischen Geschichten umrankt. So soll Nostradamus sogar die Stunde seines Todes genau vorausgeahnt haben. Andere »Zeugen« behaupteten, Nostradamus habe sich mit Schreibfeder, Büchern und einer Lampe ins Grab zurückgezogen. Dem widerspricht die Überlieferung, dass sein Sohn ihn tot vorfand. Allerdings war die Öffnung des Grabes zunächst verboten, schließlich wurde sie durch Häftlinge vorgenommen, die zum Tode verurteilt waren. Dass sie im Grab unter anderem ein Manuskript des Sehers gefunden haben wollen, ist nicht verwunderlich: Nostradamus war nach der Sitte seiner Zeit mit je einem Exemplar seiner Publikationen begraben worden - zur Prüfung vor dem Jüngsten Gericht.Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Nostradamus wohl gerade in Zeiten der Not - wie nach dem Ersten Weltkrieg - oder in den Jahren vor und nach Zeitenwenden - wie zuletzt bei der Jahrtausendwende - stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. So bezog man etwa die Prophezeiungen, die angeblich vom Jahr 1999 handeln, in südosteuropäischen Ländern wie Rumänien auf den Kosovokrieg. In etlichen Zeitungen konnte man lesen, dass Nostradamus damit den Beginn des Dritten Weltkriegs vorausgesagt habe. Der Bericht erzeugte eine eigenartige Gefühlsmischung: Selbstzufriedenheit, weil man zu den Wissenden gehörte, Angst vor militärischen Interventionen, Aggression gegen diejenigen, die Serbien den Krieg erklärt hatten, und Fatalismus angesichts des unausweichlichen Gangs der Dinge. Ähnliches geschah anlässlich der Sonnenfinsternis am 11. August 1999. Auch nach den Ereignissen vom 11. September 2001, als die Welt mit einem Schlag aus ihrem Zustand der Normalität und endgültiger Gewissheiten gerissen wurde, flüchtete der Blick vieler verunsicherter Menschen zu Nostradamus: In den Zeitungen war nun zu lesen, dass nach dem Terroranschlag auf das World-Trade-Center in New York eine Zeit lang zwei Themen in den Buchhandlungen besonders gefragt waren - Bücher über den Islam und Nostradamus, der das alles natürlich auch vorausgesagt haben soll. Ähnlich interessierte Zugriffe fanden die betreffenden Nostradamus-Internetseiten.So ist im Lauf der Jahrhunderte der Name Nostradamus zur Chiffre geworden für den Wunsch, die Zukunft zu kennen, zum Inbegriff für geheimes Wissen; schon sein bloßes Erwähnen sorgt noch immer für gesteigerte Aufmerksamkeit. ..
Universal-Lexikon. 2012.